Brillenkönig in zweiter Generation

Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH

Wie sein Vater versucht sich Marc Fielmann an innovativen Geschäftsmodellen für die Optikbranche. Trotz Krisen und Kriegen läuft das Geschäft.

Drei, vier Sätze reichen Marc Fielmann, um zu Beginn der Bilanzpressekonferenz klar zu machen, um wen es hier geht: um den Marktführer unter den Optikern hierzulande, Nummer 3 in der Welt, 28 Millionen Kunden, 23.000 Mitarbeiter. "Wir sind so erfolgreich, weil wir die Kunden so beraten und bedienen, wie wir das selbst gern hätten", erklärt der 34 Jahre alte Konzernchef. Managementsprech ist das in dem Fall nicht. Sein Vater Günther Fielmann hatte in den 1970er-Jahren den Kunden zuliebe die "Brille zum Nulltarif" erfunden - und sich damit zum Feind in einer Branche gemacht, die für schlecht situierte Kunden bis dahin nur besonders hässliche Brillen im Angebot hatte, die "Kassengestelle". Drohbriefe hielten den Pionier nicht auf, und angezündete Mülleimer vor Filialen auch nicht, Fielmann wuchs und wuchs, verkauft mittlerweile jede zweite Brille in Deutschland.

Im Januar ist Günther Fielmann im Alter von 84 Jahren verstorben. Vier Jahre zuvor hatte er die Führung der Optikerkette an seinen Sohn übergeben, der seither quasi Disruption 2.0 probt. Während früher alles auf den Patriarchen zugeschnitten war, sei mittlerweile ein "modernes Familienunternehmen" entstanden, sagt Marc Fielmann: "Wir führen über Sinn und Verstand, nicht über Ansage und Kontrolle." Nach und nach versucht er immer mehr Manager in die Rolle zu bringen, auch strategische Verantwortung zu übernehmen, um selbst aus dieser Dauerverantwortung etwas herauszukommen, in der sein Vater war und er bisher auch. Immerhin: Für ein paar Ferientage darf ihm seine Ehefrau Irina Pecherskikh das Handy abnehmen und nur für superwichtige Notfälle freigeben. Die beiden kennen sich aus London, wo beide Wirtschaft studierten.

Dass mit solchen Bemerkungen ein frühzeitiger Rückzug aus der operativen Arbeit vorbereitet werde, weist Marc Fielmann aber weit von sich: "Dazu macht mir das alles viel zu viel Spaß", sagt er mit Blick auf die nächste Disruption, den Augen-Check-up. Neben dem herkömmlichen Sehtest wird hier ein Screening des Augenhintergrunds und die Messung des Augeninnendrucks vorgenommen. Kooperierende Augenärzte werten die Daten aus und informieren die Kunden, ob ein persönlicher Besuch bei einem Arzt empfohlen oder gar dringend nötig wäre. In einem Fall habe man einen Kunden sogar vor einem drohenden Schlaganfall warnen können, erzählt Marc Fielmann. Der Berufsverband der Augenärzte sieht die Sache skeptisch. Die Bedenken nehme er ernst, betont Fielmann, wohl wissend, dass das Geschäftsmodell in Gefahr wäre, wenn die Prognose aus dem Check-up allzu häufig falsch positiv oder falsch negativ ausfallen würde - immerhin kostet der Test 49 Euro. Doch die Versorgung mit Augenärzten sei in strukturschwachen Gebieten jetzt schon schlecht, lautet das Kalkül, und für die Zukunft sei ein großer Mangel an Augenärzten schon absehbar.

Nach der zweijährigen Pilotphase sollen bis Ende des Jahres 400 Filialen in Deutschland den Service anbieten. Mit 20.000 Check-ups pro Monat rechnet Fielmann, das macht knapp einen zweistelligen Millionenbetrag pro Jahr - nichts wirklich Großes gemessen am Konzernumsatz von 2 Milliarden Euro. Aber es geht ums Prinzip. "Wenn wir das nicht machen, kommt Google", sagt Marc Fielmann und deutet damit an, dass auch ein über dem Markttrend wachsender Branchenführer nicht unangefochten ist. Die großen Tech-Konzerne haben Forschungsbudgets, die in einem einzigen Monat größer als der Jahresumsatz von Fielmann sind. Trotzdem oder erst recht wird eifrig geforscht am Fielmann-Firmensitz in Hamburg. Sollten Smart Glasses ein echter Massenmarkt werden, will man mit adaptiven Gläsern vorne dabei sein, und auch beim digitalen Selbst-Sehtest lässt man trotz aller Schwierigkeiten nicht locker.

Einstweilen muss das klassische Geschäft optimiert werden. Während Analysten zweifeln, ob Fielmann wirklich die "Vision 2025" realisieren und bis nächstes Jahr die Ebitda-Marge (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen gemessen am Umsatz) von zuletzt immerhin schon 21 auf 25 Prozent steigern kann, zeigt sich der neue Finanzvorstand Steffen Bätjer zuversichtlich und präsentiert ein ganzes Sortiment von betriebswirtschaftlichen Stellhebeln. Die Demographie spielt Fielmann auch in die Karten: je älter, desto anspruchsvoller die Brillenversorgung. Und wenn Krisen und Kriege den Verbrauchern die Stimmung verderben, ist das erst recht ein Grund, für den Brillenkauf zum Preisführer Fielmann zu gehen. Voriges Jahr schaffte der Filialist 12 Prozent Umsatzplus, dieses Jahr soll es so weitergehen, lautet der Plan.

Dabei spielen die USA eine herausragende Rolle. "167 Millionen Brillenträger", schwärmt Marc Fielmann, und fügt hinzu: "frustrierte Brillenträger". Auf einen Termin für einen Sehtest warte man in den USA oft wochenlang, und trotz hoher Versicherungsleistungen gebe es kaum Brillen zum Nulltarif. "Wer ordentlich aussehen möchte, muss viel draufzahlen", fasst er die Lage in Nordamerika zusammen. Wer, wenn nicht Fielmann könnte das als Anfang einer neuen Erfolgsgeschichte verstehen. "Ein Deja-vu-Erlebnis", bestätigt der Unternehmer. Erste Akquisitionen gab es schon, weitere dürften kurz bevorstehen. Am nötigen Geld sollte es mit fast 47 Prozent Eigenkapitalquote nicht scheitern. SUSANNE PREUSS

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